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Wird der Wohnungsbau in Basel-Stadt gefördert oder behindert?

HEV BS
23.05.2024

Unser Kanton braucht gemäss Angaben des Statistischen Amts bis ins Jahr 2045 mehr als 11 000 zusätzliche Wohnungen. Das wird nötig sein, um dem in einem mittleren Szenario geschätzten Bevölkerungszuwachs von etwa 10 Prozent gerecht zu werden. 2045 sollen im Kanton wieder ähnlich viele Menschen wohnen wie Mitte der 1970er-Jahre, also 225 000. Bei den Prognosen wird von einer Wohnfläche von 42,8m2 pro Person ausgegangen.

Ist unser Kanton bereit, diese Aufgabe zu bewältigen? Können unter den gegebenen Rahmenbedingungen pro Jahr im Durchschnitt circa 525 neue Wohnungen gebaut werden?

Nicht nur ich kann diese Fragen nicht mit Ja beantworten, ebenso haben Fachleute aus dem Bereich der Bauplanung erhebliche Zweifel, ob diese Zielsetzung erreicht werden kann.

Was steht dem Bau einer grösseren Anzahl von Wohnungen, sei es zum Beispiel durch Projekte, die verdichten sollen, aktuell entgegen? Da ist einmal das Baubewilligungsverfahren. Es dauert zu lang, bis eine Bewilligung vorliegt. Trotz diverser Beteuerungen und Versprechungen seitens des Bau- und Verkehrsdepartements hat sich die Situation nicht wesentlich verbessert. Auch weniger umfangreiche Gesuche ohne Verzögerungen durch Einsprachen dauern zu lang. Die Philosophie unserer Gesetzgebung ist, dass eine Bauherrschaft ihr Eigentumsrecht – dazu gehört das Erstellen oder das Renovieren von Wohnraum – im Rahmen der Vorschriften ausüben darf. Die zuständige Behörde, das Bauinspektorat, hat zu prüfen, ob die Vorschriften eingehalten werden. Und das muss speditiv erfolgen. Zeit ist Geld – Geld des Eigentümers, das gilt auch in diesem Fall.

Diese «hausgemachte» Schwierigkeit muss beseitigt werden, und zwar rasch. Das Bau- und Verkehrsdepartement ist in der Pflicht und kann in eigener Regie Abhilfe schaffen.

Dann kommt eine weitere Hürde hinzu, die wir dem Wohnungsneubau und den Sanierungen selbst in den Weg gestellt haben, allerdings mit Volksentscheid: das Wohnschutzgesetz. Es zeigt sich immer mehr und deutlicher, dass diese Vorschriften kontraproduktive Folgen haben. Gemäss Basler Kantonalbank ist der Wert von Wohngebäuden im Stadtkanton zum ersten Mal seit 20 Jahren gesunken. Ähnliches gelte für Genf. Das zeige, dass in Kantonen mit extremen Mieterschutzbestimmungen erhebliche Nebenwirkungen aufgetreten seien. Sanierungen seien um 80 Prozent zurückgegangen, was zudem das Erreichen der Klimaziele von BaselStadt erschwere, so die Balser Kantonalbank. Die Wohnschutzkommission scheint verunsichert und steht unter Druck. Entscheide, die sie fällt, können von vielen nicht nachvollzogen werden. Wenn man davon ausgeht, dass diese Kommission gewissenhaft und gesetzestreu handelt, kann aus ihren nicht sinnvoll scheinenden und investitionsfeindlichen Entscheiden gefolgert werden, dass die Vorschriften zu eng sind und korrigiert werden müssen und nicht, dass die Wohnschutzkommission falsch entscheidet. Kommt hinzu, dass eine grosse Anzahl von Eigentümerinnen und Eigentümern für grössere oder kleinere Bauvorhaben oder Sanierungen gar nicht erst versucht, neue Wohnungen zu bauen oder Sanierungen vorzunehmen, auch solche zur Verbesserung der Energieeffizienz mit positiven Folgen für das Klima. Weiter gibt es Projekte, die trotz einer Baubewilligung und der Bewilligung durch die Wohnschutzkommission mit Einsprachen belegt sind, und so wissen die Verantwortlichen monatelang nicht, ob sie das Vorhaben umsetzen können oder nicht. Die Rechtsunsicherheit ist gross.

Diese «hausgemachte» Schwierigkeit muss ebenfalls korrigiert werden, wenn nötig mithilfe eines Volksentscheids. Vielleicht kann sogar die Interessenvertretung der Mieterseite gewonnen werden, notwendige Korrekturen anzubahnen, denn es ist bestimmt nicht im Interesse der Mieterinnen und Mieter, wenn es wegen fehlender neuer Wohnungen noch schwieriger wird, im Stadtkanton wohnen zu können. Man darf ja träumen!

Fairerweise muss festgehalten werden, dass der Rückgang der Baubewilligungen für Wohnungsbau in der Schweiz von 2016 bis heute um 30 Prozent nicht auf diese Basler Besonderheit zurückzuführen ist. Die Bauteuerung, die Zinsentwicklung, attraktivere Anlagemöglichkeiten und raumplanerische Gründe spielen dabei eine Rolle.

Die Verunsicherung, die wir aber hier bei uns feststellen, geht auf die lokalen Schwierigkeiten zurück. Unzufrieden sind nicht nur Investoren. Auch private Eigentümerinnen und Eigentümer von Miethäusern, die renovieren oder sanieren wollen, Architekturfirmen, das gesamte Baugewerbe und alle, die bei der Wohnungssuche nicht erfolgreich sind, werden durch unsere schweizweit strengsten Vorschriften behindert.

Was tun? Sie bemerken es, liebe Mitglieder des HEV Basel-Stadt, wir müssen in jeder Ausgabe des «Hausbesitzers» dieses leidige Thema ansprechen, das wollen wir auch. Wir sind die Interessenvertretung vieler Eigentümerinnen und Eigentümer, davon profitieren ebenso Tausende Mieterinnen und Mieter (die überwiegende Mehrheit ist übrigens sehr zufrieden mit ihren Vermietern). Wir erwarten vom Regierungsrat rasch eine Priorisierung des Politikbereichs «Wohnen». In der Aprilausgabe des «Hausbesitzers» haben wir Regierungsrat Cramer zur Wahl zum Regierungspräsidenten gratuliert und ihm gleich noch unsere Wünsche mitgeteilt. Als oberster Chef der Kantons- und Stadtentwicklung könnte er mit dem Regierungskollegium alle Beteiligten an einen Tisch einladen, wo konkrete Unzulänglichkeiten und offensichtliche Hemmnisse besprochen und Lösungen skizziert werden könnten. Klar ist, dass es so nicht weitergehen kann, wenn wir die ambitiösen Ziele hinsichtlich der künftigen Wohnbevölkerung und des Klimaschutzes erreichen wollen und wenn wir keine Häuser in unserem Kanton sehen wollen, die wegen fehlender Anreize für die Eigentümerschaften verlottern, um Renovationen vorzunehmen.

Wir bleiben hartnäckig dran!