Lichtdurchflutete Räume mit raumhohen Fenstern – die Vorstellung, so zu wohnen, ist für die meisten Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer sehr reizvoll. Ein hoher Fensteranteil bringt viel Tageslicht in Wohn- und Arbeitsräume und schafft ein helles und freundliches Ambiente. Zugleich schafft der Blick in die Umgebung einen Bezug zur Aussenwelt, so dass innen und aussen verschmelzen. Tageslicht ist aus ästhetischen Gründen wichtig in der Architektur, denn damit lassen sich Räume gestalten. Darüber hinaus hat es aber auch einen grossen Einfluss auf unseren Organismus und unser Wohlbefinden. Natürliches Sonnenlicht, das sich im Tagesverlauf immer wieder verändert, bringt nicht nur Helligkeit in unsere Wohnräume, sondern ist auch der Taktgeber für unseren Stoffwechsel und unseren Tag-Nacht-Rhythmus. Ein Mangel an Tageslicht kann sich negativ auf unsere Gesundheit auswirken. Die Folgen davon können unter anderem eine geringere Leistungsfähigkeit sowie Probleme beim Ein- und Durchschlafen sein, aber auch Herzerkrankungen oder Depressionen.
Frühzeitige Planung
Bevor Kunstlicht jederzeit per Knopfdruck verfügbar war, gehörte natürliches Licht als zentrales Element zur Gebäudeplanung. Der Lauf der Sonne war Ausgangspunkt, um Fenster oder andere Öffnungen in der Gebäudehülle zu positionieren und zu dimensionieren. Ein Haus so zu gestalten, dass die Innenräume möglichst gut mit Tageslicht versorgt sind, ist auch heute noch sinnvoll und für das Wohl der Bewohnerinnen und Bewohner durchaus relevant. Auch ist es aus energetischer Sicht von Vorteil, die Wärme und das Licht der Sonne zu nutzen und gleichzeitig den Energieverbrauch für die Heizung, die Kühlung und die Beleuchtung so gering wie möglich zu halten. All diese Überlegungen sollten frühzeitig in die Gebäudeplanung einfliessen, damit das Gebäude über seinen gesamten Lebenszyklus einen effizienten Betrieb ermöglicht und seinen Bewohnerinnen und Bewohnern einen hohen Wohnkomfort bietet. Eine 2019 herausgegebene europäische Norm mit dem Titel «Tageslicht in Gebäuden» trägt der Relevanz des natürlichen Lichts Rechnung und legt Qualitätskriterien fest – beispielsweise für die Dauer der Besonnung, den Ausblick und für den Blendschutz.
Heute für die Zukunft bauen
Neben zahlreichen Vorteilen hat ein hoher Anteil an Festverglasungen oder Fenstern aber auch seine Schattenseiten: In den Sommermonaten und bei längerer Sonneneinstrahlung können Innenräume leicht überhitzen. Der sommerliche Wärmeschutz hat in den vergangenen Jahren angesichts der steigenden Temperaturen an Bedeutung gewonnen und dürfte in Zukunft noch wichtiger werden. Wer ein Haus baut, sollte sich also überlegen, wie dieses den klimatischen Bedingungen auch in 50 oder mehr Jahren noch genügt und seinen Bewohnenden eine hohe Aufenthaltsqualität bietet. Welche Innenraumtemperaturen wir allerdings noch als angenehm wahrnehmen, ist sehr individuell. Während einige Leute bei 23 Grad Celsius bereits unter der Hitze leiden, finden es andere erst bei 27 Grad Celsius richtig gemütlich. Als Richtwert für eine behagliche sommerliche Raumtemperatur gelten Werte zwischen 22 und 26 Grad Celsius.
Balanceakt zwischen unterschiedlichen Ansprüchen
Um ästhetischen, ökologischen und klimatischen Ansprüchen gerecht zu werden, braucht es also eine gute Balance zwischen thermischer Behaglichkeit, ausreichendem Tageslicht und energetischen Aspekten. Wichtig ist der Anteil der Glasfläche in der Gebäudehülle: Aus energetischer Sicht erachtet Minergie bei Wohnbauten einen Anteil von etwa 20 bis 30 Prozent als ausgewogen. Bei Bürobauten sind gemäss Minergie etwa 30 bis 40 Prozent empfehlenswert. Für die Wohnraumhygiene (gesundheitlicher Aspekt) müssen bei Wohnund Schlafräumen gemäss Baugesetzgebung die Fensterflächen mindestens 10 Prozent der Bodenfläche des zu belichtenden Raumes betragen.
Auch die Orientierung der Fenster respektive Verglasungen ist entscheidend für das Licht und den Wärmeeintrag. Ist der Fenstersturz schmal, resultiert eine bessere Tageslichtnutzung bei praktisch gleichem Wärmeeintrag. Mit der Wahl des Glases kann man ebenso Positives bewirken. Moderne Isolierverglasungen kombinieren heute teilweise Sonnen- und Wärmeschutz und lassen dennoch viel Tageslicht ins Innere strömen. Es empfiehlt sich, auf ein Produkt mit einer guten Lichttransmission (tL-Wert) sowie einem geringen U-Wert (Energiedurchlass eines transparenten Bauteils) zu achten.
Flexible Verschattung
Ein zentrales Element, um das Innenraumklima auch an Hitzetagen in einem angenehmen Temperaturbereich zu halten, sind Beschattungen. Als klassische Variante des Sonnenschutzes wird heute häufig eine bewegliche aussenliegende Markise oder eine Lamellenstore eingebaut. Doch müssen diese entweder über Sensoren gesteuert sein oder aber von den Nutzerinnen oder Nutzern rechtzeitig bedient werden, damit sie auch wirkungsvoll sind. Da viele Leute tagsüber unterwegs sind, ist unter Umständen eine Regelung sinnvoll. Heute sind Systeme erhältlich, die sich je nach Sonnenstand und unter Berücksichtigung von Wetterdaten äusserst differenziert steuern lassen. Allerdings sollte eine Regelung auch nicht zu komplex sein, damit sie einfach zu bedienen und möglichst wenig fehleranfällig ist. Ist an den Fenstern ein Blendschutz nötig, etwa weil sich ein Arbeitsplatz dahinter befindet, sollte dieser innen angebracht sein, damit er im Winter die passiven solaren Gewinne nicht beeinträchtigt. Auch bauliche Lösungen wie Vordächer, Balkons oder Brüstungen können dazu dienen, den Wärmeeintrag zu reduzieren. Welche der Varianten am besten wirkt, ist vom Standort und den baulichen Gegebenheiten abhängig.
Wenig Spielraum bei Sanierungen
Während einem bei Neubauten unzählige Möglichkeiten für die Gestaltung der Gebäudehülle offenstehen, ist der Umgang mit Bestandsbauten schwieriger. Oft besteht bei einer Sanierung weniger Spielraum, um mehr Tageslicht ins Innere zu bringen. Zudem sind die Kosten schnell hoch, wenn Öffnungen nachträglich eingebaut werden. Noch anspruchsvoller wird es, wenn ein Gebäude unter Denkmalschutz steht und Eingriffe nur im sehr begrenzten Mass möglich sind. Glück hat, wer ein Gebäude mit hohen Fenstern saniert, wie sie häufig im 19. Jahrhundert oder zu Beginn des 20. Jahrhunderts gebaut wurden. Denn viele Architekten von damals haben ihre Gebäude mit dem Tageslicht geplant.