• News

Projektallianzen: Bauen mit Weitsicht, Vertrauen und klaren Massstäben

07.11.2023

Die Arbeitsgruppe SIA 2065 erarbeitet zurzeit ein Merkblatt zum Thema «Planen und Bauen in Projektallianzen», das bereits in

seinem Vernehmlassungsentwurf mehr als 70 Seiten stark ist.

Das zeigt, dass es sich um eine eher komplexe Thematik handelt. Die folgenden Ausführungen dienen dazu, das Wesen der Projektallianz in einer stark komprimierten Fassung abzubilden.

Insbesondere grössere und komplexere Bauvorhaben in der Schweiz wurden bisher häufig in traditionellen Vertragsmodellen mit sogenannten General- beziehungsweise Totalunternehmungen (GU/TU) abgewickelt. Diese Form der Projektabwicklung hat sich in den vergangenen Jahren jedoch zu einem Auslaufmodell entwickelt. Das PreisLeistungs-Verhältnis stand dabei im Vordergrund.

Viele GU/TU haben dabei die Bodenhaftung verloren und ihre Gewinnoptimierung über Fairness, Transparenz und Qualität gestellt, mit dem Ergebnis, dass Bauobjekte in mangelhafter Ausführung zu überteuerten Preisen entstanden sind. Im Weiteren hat der Preisdruck auf die ausführenden Unternehmungen die Kultur im Bau nachhaltig verschlechtert. Solide Investoren und Bauherren sowie ausführende Unternehmungen haben sich deshalb vermehrt von Projekten mit GU/TU distanziert und nach neuen Wegen der Auftragsabwicklung gesucht.

Die zunehmende Komplexität von Bauprojekten, die Digitalisierung der Bauwirtschaft sowie der Fachkräftemangel verlangen nach neuen partnerschaftlichen Modellen. Ein Einbezug aller wichtigen Projektpartner bereits zu einem frühen Zeitpunkt und die Gleichrichtung ihrer Interessen mit den Projektzielen ermöglichen dabei eine effizientere Projektrealisierung.

Hier tritt die Auftragsabwicklung mittels Projektallianzen auf den Plan. Die grossen Herausforderungen an Bauten ab mittlerer Grösse und die damit verbundene Komplexität verlangen nach neuen Modellen, damit Kosten, Termine und Qualitäten eingehalten werden können. Mit Projektallianzen wird eine neue und notwendige Kultur rund um das Bauen möglich.

Die Projektpartner finden sich in einer frühen Projektphase, um im gegenseitigen Vertrauen und mit Transparenz die Projektziele zu definieren. Dabei bildet die Risikoanalyse einen wichtigen Bestandteil, um allfällige Fehlplanungen und Fehlausführungen zu minimieren beziehungsweise zu vermeiden. Gemeinsam tragen die Partner die Risiken und partizipieren gemeinsam an einer erfolgreichen Umsetzung. Ziel muss es dabei sein, miteinander am selben Strang und in dieselbe Richtung zu ziehen. Bei getreulicher Umsetzung entsteht eine nachhaltige Winwin-Situation für Auftraggeber und Auftragnehmer.

Im Unterschied zur Auftragsabwicklung mit GU/TU und anderen klassischen Vertragsformen verfolgt die Auftragsabwicklung in der Projektallianz einen partnerschaftlichen Ansatz, der letztlich mit sogenannten Allianzoder Dialogverträgen vereinbart wird. Der Ansatz für eine Projektallianz ist also eine partnerschaftliche Abwicklung eines Bauprojekts. Sie basiert auf dem Konsens der Allianzpartner, das Projekt in einer partnerschaftlichen Kultur und im Rahmen einer kooperativen Zusammenarbeit gemeinsam zu realisieren – und das frei von Schuldzuweisungen. Konkret, wenn auch verkürzt ausgedrückt, bedeutet das, dass alle wichtigen Bereiche der Planung und der Ausführung von Anfang an mit der Bauherrschaft und dem Projektlead zusammenarbeiten. Sie definieren gemeinsam die Projektziele, benennen Chancen und Risiken und kalkulieren die Baukosten. Dieser neue Ansatz ist geprägt von Vertrauen unter den Allianzpartnern, weil Abläufe und Kosten sehr transparent in die Kalkulation fliessen. Der gewichtigste Vorteil in diesem Modell ist jedoch, dass der Anteil an Erkenntnissen zum Bauvorhaben bereits vor der Ausschreibung – also zu einem sehr frühen Zeitpunkt – in den Projektphasen gesichert ist.

Dieser Erkenntnisgewinn ist unter anderem massgebend für die Kosten, die Termine sowie für die Qualität. Der Vorteil für den Bauherrn liegt auf der Hand, da sowohl die Kosten und Termine als auch die Qualität gewichtige Parameter für eine erfolgreiche Umsetzung des Projekts sind. Im Weiteren profitieren ausführende Unternehmen von diesem Erkenntnisgewinn, da die benötigte Leistung schon in der Ausschreibung klar ist und das Risiko, das Projektziel zu verfehlen, geringer ist. Grafik 2 oben: Ohne frühe Einbindung aller Partner. Grafik 2 unten: Mit Einbindung und Risikoanalyse. Das Erreichen der Projektziele ist für alle Partner im Dialogvertrag wichtig, weil das die Basis bildet, um die zuvor definierten Zielkosten einzuhalten.

Das Vergütungskonzept der einzelnen Gewerke ist in der Projektallianz ebenfalls sehr transparent und untersteht einer Geheimhaltungspflicht. Diese gilt selbst nach dem Abschluss des Projekts. Die Tabelle gibt Auskunft, welche Kostenarten Bestandteil im Allianzvertrag sind.

Stufe 1

Der Hauptteil der Vergütung besteht aus den Selbstkosten (Werkkosten und allgemeine Gemeinkosten für Leistungen im Zusammenhang mit dem Projekt, welche die Realisierungspartner effektiv erbracht haben). Dabei dienen die Kostenstrukturen, welche die Realisierungspartner dem Bauherrn vor Vertragsabschluss offengelegt und nachgewiesen haben, sowie effektiv nachgewiesene Drittkosten (insbesondere Zahlungen für Subunternehmer- und Lieferantenleistungen) als Grundlage der Berechnung. Bei der Vergütung der Werkkosten gilt das Prinzip der offenen Bücher (Open Books).

Stufe 2

Stufe 2 umfasst die Vergütung des Gewinnzuschlags. Der Gewinnzuschlag soll entsprechend dem Leitgedanken der Projektallianz teilweise oder ganz dazu verwendet werden, die Realisierungspartner anzureizen, die Zielkosten 1 einzuhalten. Aus diesem Grund wird in einem Allianzvertrag ein Gewinnzuschlag zwar stets vereinbart, jedoch nicht unter allen Umständen geschuldet.

Stufe 3

Für den Fall, dass die Endkosten unterhalb der vereinbarten Zielkosten 1 liegen, sieht der Allianzvertrag eine Erfolgsbeteiligung der Realisierungspartner vor (Gain Sharing). Diese Beteiligung entspricht bis zum Erreichen eines vertraglich vereinbarten unteren Grenzwerts der erzielten Differenz zwischen den Endkosten und den vereinbarten Zielkosten 1, multipliziert mit dem im Allianzvertrag vereinbarten Prozentsatz zur Kostenbeteiligung jedes einzelnen Realisierungspartners.

Stufe 4

Mit der vierten Vergütungsstufe wird ein zusätzliches Anreizsystem zur Einhaltung der nicht monetären Projektziele (Terminziele, Qualitätsziele) vereinbart. Der Bauherr legt in seinen Ausschreibungsunterlagen fest, welche Projektziele er im Rahmen der Vergütungsstufe 4 berücksichtigen will. Er legt für jedes der betroffenen Projektziele (Kriterien) den massgebenden Zielwert fest, beschreibt die Messmethode und fixiert die Beurteilungskriterien zur Bewertung von Abweichungen. In diesem Zusammenhang bestimmt er auch über die finanziellen Auswirkungen bei Zielerreichung und bei möglichen Abweichungen. Wenn bestimmte Ziele nicht erreicht werden, kann er Massnahmen festlegen, wie beispielsweise das Streichen der gesamten Stufe 4.

Projektallianzen zeigen auf, wie man gemeinsam Bauprobleme lösen kann. Vor diesem Hintergrund ist es sinnvoll, das Merkblatt SIA 2065 anzuschauen. Im Kanton Basel-Stadt befinden sich bereits heute Projekte im Allianzverfahren in Umsetzung – mit erfreulich vielen positiven Erfahrungen der Allianzpartner.