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Der Mythos Baustelle

27.07.2023

Baustellen sind allgegenwärtig. Das bestätigen die vielen Baukrane und Baumaschinen, die unübersehbar sind. In der Stadt und in den Agglomerationen steht verdichtetes Bauen im Mittelpunkt. Und wo man hinfährt, ob mit dem ÖV oder dem Auto, sind Umleitungen und Zeitverzögerungen wegen Baustellen an der Tagesordnung. Das Ansehen des Berufsstands der Baubranche und der Bauunternehmen droht bei der Bevölkerung in Schieflage zu geraten. Warum ist das so?

Die Bevölkerung nimmt stetig zu, dieses Wachstum widerspiegelt sich zwangsläufig in der nötigen Infrastruktur. Baustellen sind ein klarer Indikator dafür, dass die Wirtschaft zumindest nicht stagniert, sondern eher floriert. Eine rege Bautätigkeit wird oft mit einer anziehenden Konjunktur gleichgesetzt. Aber selbstverständlich sind Baustellen – salopp ausgedrückt – für die meisten Menschen ein Ärgernis, denn jede Baustelle bringt Behinderungen und Umstellungen und ist mit Lärmemissionen verbunden. Dass eine Baustelle (viel) Lärm verursacht, ist unumgänglich. Das lautlose Bohren und Hämmern wurde noch nicht erfunden.

Die Bevölkerung hätte am liebsten Baustellen, die keinen Lärm und keine Unannehmlichkeiten hervorrufen. Auch sollten die Bauarbeiten möglichst schnell vorangehen und zum Abschluss kommen. Hingegen wird gefordert, dass der Verkehrsfluss und der Zugang zu den Gewerbetreibenden während der Bauzeit durchgängig sichergestellt sind, was das Bauen wiederum in die Länge zieht. In der Umgangssprache reden wir bei solchen Vorstellungen von «de Füüfer und s Weggli welle ha». Wie soll man das aber bewerkstelligen? Als Bauunternehmer darf man ja nicht rund um die Uhr, in der Nacht und am Wochenende arbeiten.

Wir räumen mit den wichtigsten Vorurteilen auf

Die Anzahl der Baustellen nimmt markant zu
Nicht die Baustellen sind mehr geworden, sondern die Verkehrsteilnehmer und die Bevölkerung. In der Stadt Basel sind zu praktisch jedem Zeitpunkt über 100 Strassenbaustellen in Betrieb. Das sorgt insbesondere bei Verkehrsteilnehmern und Anwohnern für Ärger und negative Emotionen. Die Bauunternehmer engagieren sich tagtäglich für eine sichere Strassen- und Versorgungsinfrastruktur zugunsten aller Verkehrsteilnehmer und der Bevölkerung.

Baufirmen verzögern gern, weil sie dann mehr verdienen
Bauunternehmer verdienen sich keine goldene Nase, wenn eine Strassenbaustelle länger als vorgegeben dauert. Im Gegenteil, denn nur Baustellen, die optimal ablaufen, sind rentabel. Jeder Unterbruch bedeutet Dispositions- und Geldaufwand, der nicht vergütet wird.

Baufirmen sind nicht daran interessiert, dass Baustellen früher fertig sind
Je besser der Ablauf einer Baustelle ist und je früher sie abgeschlossen werden kann, desto eher können weitere und neue Baustellen bewirtschaftet werden, was dann zu einer besseren Auslastung der gesamten Ressourcen führt.
Das Bauunternehmen ist meistens nicht der einzige Handwerksbetrieb, der an verschiedenen Baustellen arbeitet. Weitere Fachleute sind ebenso involviert, trotzdem wird ihm der Schwarze Peter zugeschoben. Könnte man die Strassenbaustellen ohne Aufrechterhaltung des Verkehrsflusses ausführen (Sperren des Strassenabschnitts), würde das die Bauzeit um 75 Prozent verkürzen.

Baustellen sind tagelang «bauarbeiterfrei»
An Zeitverzögerungen oder Tagen, an denen auf einer Strassenbaustelle nichts passiert, ist meistens nicht der Bauunternehmer schuld. Schlechtwetterphasen können vorkommen, oder andere Gewerke (Werkleitungen für Strom, Gas, Wasser, Abwasser, Telefon/Internet und TV) brauchen entsprechende Zeitfenster, um die nötigen Installationen und Anschlüsse zu erstellen. Für einen reibungslosen Bauablauf müssen auch die Planungsgrundlagen zeitgerecht vorliegen.

Baustellen verursachen zu viel Lärm
Bauarbeiter sind Frühaufsteher! Erst recht im Sommer. Wenn die Wetterprognose 30 Grad und mehr ankündigt, ist man auf der Baustelle froh um jeden Arbeitsschritt, der vor dem heissen Nachmittag erledigt werden kann. Bei 20 Grad und einer frischen Morgenbrise arbeitet es sich leichter als am späten Nachmittag bei über 30 Grad. Früher war das problemlos möglich. Bauarbeiter und Handwerker starteten ihren Arbeitstag um 5 Uhr morgens, arbeiteten mit Unterbruch (Znüni und Mittagspause) in den Nachmittag hinein und beendeten den Arbeitstag entsprechend früher.
Solch flexible Arbeitszeiten sind heute aber kaum noch möglich. 2023 müssen Baustellenequipen froh sein, wenn sie überhaupt vor 7 Uhr mit ihrer Arbeit beginnen dürfen. Die Festlegung der Zeiten, während deren Bauarbeiten erlaubt sind, liegt in der Kompetenz der Gemeinden und Kantone. Vor allem ländlichere Gemeinden erlauben Bauarbeiten ab 6 Uhr. Doch ausgerechnet Städte mit hoher Bautätigkeit wie Basel verbieten «lärmige Bau- arbeiten» vor 7 Uhr. Hinzu kommen oft Mittagsruhezeiten von mindestens einer Stunde.

Baustellen sind unnötig und ein Ärgernis
Die Gründe dafür sind vielschichtig. Das Bauen im Hoch- sowie im Tiefbau bringt gezwungenermassen Unannehmlichkeiten wie Lärm- und Staubemissionen sowie Behinderungen mit sich, räumlich wie zeitlich. Es wäre zu laut, es würde zu lang dauern, man verliere zu viel Zeit auf dem Weg zur Arbeit usw. All diese subjektiven Wahrnehmungen führen dazu, dass die Bauunternehmer als Spielverderber dargestellt werden. Sind sie das wirklich?
Baufirmen bauen nicht einfach, weil sie gerade Zeit und Lust haben, sie bauen für die gesamte Schweizer Bevölkerung: Es werden Plätze und Strassen neu gestaltet (z.B. mit mehr Grünflächen, velofreundlicher usw.), Wohnungen, Werk- und öffentliche Gebäude, Infrastrukturen für den Individualverkehr, für Tram und Eisenbahn sowie Versorgungsanlagen erstellt. Die Baumeister bauen für alle.

Kurzum: Mit Nachsicht und Verständnis lässt sich jede Baustelle «überleben». Denn ewig wird sie nicht sein – und keine Bau- stellen würde zwar Ruhe, aber Stillstand und Rückschritt bedeuten.